Landwirtschaft im Kreis Heinsberg

Von Natur aus wäre der Kreis Heinsberg nahezu vollständig bewaldet. Lediglich Teile der Ufer von Wurm und Rur würden durch regelmäßige Hochwässer und die Verlagerung der Flussläufe kleinflächig waldfrei gehalten, noch kleinflächiger offen wären dauerhaft überstaute Moorflächen. Äcker, Wiesen und andere Kulturlandschaften wie Heiden sind erst durch intensive Tätigkeit des Menschen entstanden. Vor mehr als 7.000 Jahren begannen frühe Siedler in unserer Region, die Wälder zu roden, um den hier großflächig vorherrschenden fruchtbaren Lössboden zur Landwirtschaft zu nutzen. In der Folge kamen nicht nur zahlreiche Nutzpflanzen zu uns und wurden hier für die Ernährung von Mensch und Tier angebaut, sondern es wanderten auch zahlreiche wilde Pflanzen- und Tierarten ein, vermutlich aus den Steppen Osteuropas. Dadurch stieg die Artenzahl lokal stark an; viele Waldarten waren in den damals noch großen Wäldern ebenfalls vorhanden. Die frühe sehr harte und verlustreiche Arbeit förderte durch die hohe Produktivität der Äcker auch zahlreiche Arten wie den Feldhamster, der prima von den Kulturpflanzen, Wildkräutern und Dreschabfällen leben konnte. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Blatt gegen die Natur gewendet. Immer intensivere Landwirtschaft und verlustfreiere Erntemethoden machen den Tierarten der Ackerfluren Lebensraum und Nahrung streitig. Inzwischen gehören die Tier- und ebenso die Pflanzenarten der offenen Landschaft zu den gefährdetsten Arten in Deutschland. Viele können es nicht mehr hören, manche wollen es auch nicht wahr haben, aber es ist in vielen Studien wissenschaftlich erwiesen, dass die intensive Landwirtschaft derzeit der wichtigste Verursacher des Artensterbens in Deutschland ist (z.B. Quelle [1]).

Landwirtschaftliche Nutzfläche im Kreis Heinsberg

Von den etwa 62.800 ha (1 Hektar = 100 m * 100 m) des Kreises Heinsberg wurden 2010 etwa 40.500 ha landwirtschaftlich genutzt (64,5 %, NRW 49 %), der Großteil davon (33.200 ha, 52,9 % der Kreisfläche) für Ackerbau, 3.900 ha (6,2 %) für Dauergrünland (Mähwiesen, Viehweiden inkl. Pferdeweiden) und 860 ha (1,4 %) als andere Kulturen. Traditionell ist der Getreideanbau, v.a. von Winterweizen, auf den guten Böden im Kreis besonders stark. Die Jülicher Börde mit ihrem Unterteil Erkelenzer Börde galt früher als Kornkammer Preußens.

Historische Landwirtschaft in Erkelenz

Anfang des 19. Jahrhunderts (1804) wurden in Erkelenz folgende Kulturen angebaut (nach [4]): unter den Getreidearten Weizen, Gerste, Buchweizen und Hafer, daneben auch Klee, Ackerspörgel (alte Futterpflanze für Kühe, daneben auch Wicken mit Hafer) und Lein. An Gemüse wurden Saubohnen (Ackerbohnen für Mensch und Tier), Futterrüben, Kohlsorten wie Rot-, Weiß-, Grünkohl und Kohlrabi kultiviert und „in großer Zahl Möhren und alle Sorten Kartoffeln“, außerdem wenig Hopfen.

Die Brotfrucht der heimischen Landwirte war in den letzten Jahrzehnten (20. Jahrhundert) die Zuckerrübe. Künstlich hoch gehaltene Zuckerpreise (höher als der Preis von importiertem Zucker aus Zuckerrohr) und Lieferkontingente sorgten für gute Einkommensmöglichkeiten. Als dritte wichtige Ackerfrucht werden seit langem Kartoffeln angebaut. Der Anteil der einzelnen Kulturen hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt (Tab. 1). Hinzu gekommen sind Raps und Mais, letzterer nicht nur zur Ernährung von Vieh, sondern zunehmend als Kraftstoff für die zahlreichen Agrargasanlagen im Kreis Heinsberg und darüber hinaus. Zuckermais für die menschliche Ernährung wird in der Region nicht angebaut. Nahezu verschwunden sind Futterrüben und Roggen.

Tab. 1: Anbauflächen wichtiger Ackerfrüchte im Kreis Heinsberg

Kultur 2014
Getreide außer Mais 14.794 ha
Mais 183 ha
Eiweißpflanzen 71 ha
Körnerraps 1.502 ha
Andere Ölfrüchte 2 ha
Silomais 5.245 ha
Futterrübe 10 ha
Klee, Kleegras, Futtergras 1.389 ha
Andere Futterpflanzen 123 ha
Grünland 4.840 ha
Stilllegung, außer Produktion 47 ha
Uferrandstreifen, Blühstreifen, Erosionsschutzstreifen 18 ha
Kartoffeln 1.995 ha
Zuckerrüben 5.674 ha
Andere Hackfrüchte 194 ha
Gemüse, Energiepflanzen, sonstige Handelsgewächse 1.240 ha
Sonstige Flächen 75 ha
Summe (2014)

37.402 ha

Flächennutzung im Kreis Heinsberg in Hektar (2010)

Verteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche (Hektar) im Kreis Heinsberg (2010)

Betriebe

Die Modernisierungen in der Landwirtschaft, die steigende Mechanisierung und Intensivierung der Produktion brachten auch Veränderungen in der Betriebsstruktur mit sich: gab es in den 90er Jahren noch über 1.000 landwirtschaftliche Betriebe im Kreis Heinsberg, sind es 2010 nur noch 802. Um 1900 arbeiteten noch 80 % der Menschen in Europa in der Landwirtschaft, heute sind es weniger als 5 %, in Deutschland weniger als 2 %. Um 1900 ernährte ein Landwirt in Deutschland nur 4 Menschen, derzeit sind es fast 150. Es ist abzusehen, dass die Zahl der Betriebe noch weiter sinken wird. Zu lange wurde von Verbänden und Politik das Motto des Wachsen oder Weichen propagiert. Kein Königsweg, geht es heute doch trotzdem vielen Betrieben nicht wirklich gut (siehe unten).

 

Es landen übrigens keineswegs alle Produkte der Landwirtschaft auf unseren Tellern und in unseren Mägen. Ein Großteil wird als Viehfutter, in der Industrie oder in der Treibstoffproduktion genutzt, wie die folgende Tabelle zeigt:

Tab. 2: Weltverbrauch von Getreide (2014/15) und Mais (2005-2007)Tab. 2: Weltverbrauch von Getreide (2014/15) und Mais (2005-2007)

Verwertung Getreide Mais
Futter  43% 63%
Nahrung 34% 15%
Bioethanol 8% ?
Industrielle Verwertung und Saatgut 15% 22%

Vom Wert des Bodens

Nach einer Meldung des Landesumweltministeriums (8.10.15), das auch für die Landwirtschaft zuständig ist, sind die Bodenpreise in NRW in den letzten Jahren stark gestiegen. So spricht das Ministerium von 18 % im letzten Jahr und satten 49 % in den letzten fünf Jahren. Im Regierungsbezirk Köln sollen es im letzten Jahr sogar 25,6 % gewesen sein. NRW liegt damit bei den Bodenpreisen nach Bayern an zweiter Stelle in Deutschland. Dass die Böden gerade bei uns so teuer sind, liegt zum einen an den guten Bedingungen für die Landwirtschaft: großflächig gute Boden und ein fast ideales Klima mit milden Wintern und feuchten Sommern. Für die starken Steigerungen gibt es mehrere Ursachen: Flächenentzug durch Bebauung (schön zu sehen etwa bei den große Gewerbegebieten in Heinsberg-Dremmen oder auch in Mönchengladbach, wo immer beste Böden versiegelt werden) und Preisdruck durch Mais-, Gemüseanbau und Baumschulen. Der Entzug durch Naturschutzmaßnahmen ist dagegen minimal. Gerne werden dafür auch schlechte Böden und kleine oder schlecht geschnittene Flächen genutzt. Zunehmend treiben auch Kapitalanleger die Preise. Sie haben erkannt, dass Boden einfach nicht zu vermehren ist und damit eine lukrative Anlagemöglichkeit darstellt. Jede Woche sieht man in den Tageszeitungen und Werbeblättchen Anzeigen wie „Ackerland zu Höchstpreisen gesucht … xy Immobilien …“.

 

Was den Bodenpreisen folgt sind die Pachtpreise. Fatal ist dies, wenn – wie im Kreis Heinsberg – etwa 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht im Besitz der Landwirte sondern Pachtland sind. Viele Betriebe können gegen die hohen Gebote der Mais- und Gemüsebauern nicht ankommen. Auch hier las man im Frühjahr 2015 mehrfach in den Annoncen: „Suche Ackerland für Maisanbau …“.

 

Und wie hoch sind die Bodenpreise nun im Kreis Heinsberg? Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Heinsberg gibt 2015 für landwirtschaftliche Flächen Bodenrichtwerte von 2,50 € in Wildenrath bis 5,20 € in der Erkelenzer Börde an. In weiten Bereichen von Geilenkirchen und Heinsberg beträgt der Wert 4 € bis 5 €. Im Landesmittel lag der gezahlte Preis 2014 in NRW bei 4 €.

Einkommen und Förderung in der Landwirtschaft

Zunächst möchte man annehmen, die Landwirtschaft finanziert sich im Wesentlichen aus dem Verkauf ihrer Produkte. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Der allgemein als Subventionen (korrekt: Zahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik) bekannte Anteil am landwirtschaftlichen Einkommen betrug 2007 EU-weit 26 % (EU-Gelder). Nimmt man EU- und staatliche Förderungen zusammen, waren es in Deutschland 42 % (Durchschnitt 2010-2012), in Frankreich 63 %, im Großbritannien gar 90 % ! Für jeden Hektar landwirtschaftlich bewirtschaftete Flächen bekamen Landwirte in den letzten Jahren die so genannte Flächenprämie. Zuletzt betrug sie im Kreis Heinsberg über 350 € pro Jahr und Hektar. Bei einem Betrieb mit 100 ha Fläche also 35.000 €. Im Rahmen mehrerer Agrarreformen, unter dem Eindruck steigender Weltmarktpreise, aber vermutlich auch aufgrund von Forderungen zu mehr Naturschutz in der Landwirtschaft wurden diese Flächenprämien zuletzt abgelöst. Nun werden 70 % der Prämien als Basisprämien ausgezahlt, für die – wie bisher - nicht mehr gemacht werden muss, als „nach guter fachlicher Praxis“ zu wirtschaften, was immer man darunter versteht und wie auch immer man es kontrolliert. 30 % Zuschusses erfolgen für das so genannte Greening und sind gebunden an Maßnahmen, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen: Fruchtdiversität, Erhalt von Grünland und Bereitstellung ökologischer Vorrangflächen auf 5 %, später auf 7 % der Ackerfläche eines Betriebs.

 

Die größten Zuschüsse erhalten übrigens nicht Betriebe, die aufgrund geringer Größe oder schlechter Böden benachteiligt sind, sondern im Gegenteil die größten und effizientesten Betriebe. In Deutschland erhalten 2 % der Betriebe mehr als 100.000 € pro Jahr an Subventionen, während etwa 50 % der Betriebe weniger als 5.000 € an Zuschüssen erhält. 2013 erhielten fast 500 Unternehmen in Deutschland sogar mehr als 500.000 € an Subventionen. Darunter sind keineswegs nur Betriebe, die sich der Laie als Bauernhof vorstellt. Es sind auch Gebietskörperschaften (wie Bund, Länder, Kreise und Gemeinden) und verarbeitende Betriebe darunter, etwa Südzucker mit 1,9 Mio. € Subventionen (2014). In unserer Gegend ist es ein ganz anderer Betrieb mit riesigen landwirtschaftlichen Flächen, der von der EU in großem Maße subventioniert wird: RWE mit seinen Schirrhöfen, die rekultivierte Flächen wieder für die Landwirtschaft vorbereiten (RWE Power AG 2014 gut 450.000 €). Der vermutlich größte Einzelempfänger im Kreis Heinsberg, ein Großgrundbesitzer aus Hückelhoven, erhielt 2014 über 120.000 €, der Kreis Heinsberg für Naturschutzmaßnahmen lediglich gut 8.000 €.

 

Infolge der massiven Subventionen ist die EU ein großer Exporteur von Getreide-, Fleisch- und Milchprodukten. Dadurch hat sie einen starken Einfluss auf Weltmarktpreise, was dazu führen kann, dass arme Staaten etwa in Afrika auf Billigimporte umsteigen, statt die eigenen Landwirte zu fördern. Es kann aber nicht das Ziel europäischer Landwirtschaft sein, mit hohem finanziellem Aufwand, Tierqualen und Umweltverschmutzung Produkte für den Weltmarkt zu erzeugen, die anderswo auch noch Unheil anrichten.

Weitere Förderungen der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft erhält weitere, nationale Zuschüsse. So profitieren meist Landwirte davon, wenn Flächen als Naturschutzmaßnahme extensiv bewirtschaftet werden (Vertragsnaturschutz, aktueller Runderlass des Umweltministeriums NRW vom 8.9.15). Mehrere 100 € pro Hektar und Jahr sind dabei für Mehraufwand und Minderertrag drin. Den Höchstsatz gibt es für den Schutz des Feldhamsters: 1.980 € pro Hektar und Jahr, etwas niedrigere Förderungen, die immer noch weit über 1.000 € pro Hektar und Jahr liegen, für Feldvögel wie den Kiebitz. Schon diese immensen Summen machen jedem Laien klar, dass es den Tieren der Äcker wirklich schlecht gehen muss. Auch in der Pflege von Ausgleichsmaßnahmen verdienen gerade landwirtschaftliche Betriebe nicht schlecht, da sie vielfach ihre vorhandenen Geräte nutzen können und lokal nur kurze Anfahrten haben. Dieses Modell nutzt die Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, eine Einrichtung des Rheinischen Landwirtschaftsverbands. Eine weitere Einnahmequelle ist die trinkwasserfreundliche Bewirtschaftung. Um das Trinkwasser frei von Nitrat zu halten (ist das nicht eigentlich selbstverständlich?), bekommen Landwirte im Kreis Heinsberg etwa 85 € pro Hektar (max. ca. 110 €/ha) dafür, nahe der Förderbrunnen der Wasserwerke die Stickstoffausschwemmung (i.d.R. aus Kunstdünger) ins Grundwasser zu vermeiden. Dafür wird meist Ackersenf eingesät (gelb blühend, ähnlich Raps), manchmal auch winterharter Ölrettich (weiß bis Rosa blühend), nach Mais auch Grünroggen. Sinn der Maßnahme ist es, dass die Pflanzen mit ihren teilweise tiefen Wurzeln freies Nitrat im Boden aufnehmen, binden und damit die Ausschwemmung ins Grundwasser im Winterhalbjahr verhindern. Der Aufwuchs wird i.d.R. im Spätwinter gehäckselt und später untergepflügt. So behält der Landwirt den Stickstoff für spätere Kulturen. Gleichzeitig wird auch der Humusgehalt des Bodens erhöht, was die Fruchtbarkeit fördert. Bei Kosten von etwa 150-180 € pro Hektar ist die o.g. Prämie natürlich nur ein Anreiz. Aber durch den erhaltenen Stickstoff muss der Landwirt im Folgejahr etwas weniger düngen und er profitiert vom Humusaufbau.

Probleme der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft profitiert nicht nur in vielfältiger Weise von Förderungen (und auch von Vergünstigungen, etwa bei der Ausbringung von Bioziden), sie hat auch massive Probleme. Die Kosten von Produktionsmitteln wie Düngern und Pflanzenschutzmitteln sind hoch, die Erlöse für ihre Produkte teilweise stark gesunken. So kann es Landwirten geschehen, dass sie etwa für Kartoffeln gerade mal 2 € pro 100 kg erhalten. Milcherzeuger klagen seit langem – und zu Recht – über viel zu niedrige Milchpreise. Schutz von Tieren und Natur und die Herstellung hochwertiger Produkte können nur bei gerechter Entlohnung gelingen. Dabei sind auch wir Verbraucher gefordert. International besteht eine ungerechte Konkurrenz. So mutet es merkwürdig an, dass deutsche Landwirte (zu Recht) Mineralölsteuer auf Diesel zahlen müssen, französische Landwirte dagegen davon befreit sind. Umweltauflagen schaffen alle paar Jahre wieder veränderte Bedingungen für die Landwirte. Dazu besteht eine immer stärkere Konkurrenz um landwirtschaftliche Nutzflächen, nicht nur von außerhalb der Landwirtschaft sondern durchaus auch innerhalb, etwa durch den nach wie vor steigenden Maisanbau. Ungeklärt ist in vielen Betrieben die Nachfolge der derzeitigen, vielfach schon älteren Betriebsinhaber. Es ist schon fast ein Wunder, wenn sich heute noch junge Menschen für den Beruf des Landwirts entscheiden. Die Landwirtschaftskammer führt im Kreis Heinsberg gerade mal 16 Ausbildungsbetriebe für Landwirte auf ! Zunehmend können kleinere Höfe auch gar nicht mehr von der Landwirtschaft leben, sondern sie läuft einfach noch nebenher mit, während der Inhaber Lohn und Brot mit einer anderen Tätigkeit verdient (46 % der Betriebe in NRW !). Alles zusammen führte in der Vergangenheit zu einem starken Höfesterben, das nach wie vor anhält. Hier zeigt sich klar, dass die langfristige europäische Landwirtschaftspolitik kontraproduktiv ist.

Landwirtschaft im Wandel

Bei der Solidarischen Landwirtschaft finanziert eine Anzahl Privathaushalte einen landwirtschaftlichen Betrieb. Im Gegenzug erhalten Sie die Ernte des Betriebes. Dadurch erhalten Verbraucher wieder einen Bezug zum Produzenten ihrer Nahrungsmittel und den Bedingungen der Erzeugung. Gleichzeitig werden lokale Betriebe gefördert.

 

Nähere Infos: www.solidarische-landwirtschaft.org

 

Eine andere moderne Form der Teilhabe bieten auch schon Landwirte im Kreis Heinsberg und in Mönchengladbach an: Sie sähen auf einem Teil ihrer Betriebsfläche wichtige Gemüse auf schmalen benachbarten Streifen an und teilen die Fläche rechtwinklig dazu in viele Parzellen, auf denen dann jeweils Streifen all dieser Gemüse wachsen. Familien und andere Interessierte können dort mit wenig Aufwand ihr Gemüse pflegen und ernten.

 

Weitere Infos im Internet u.a. unter dem Suchbegriff „Gemüse selbst ernten“, in Erkelenz www.gesund-und-gartenfrisch.de, in Mönchengladbach und an anderen Standorte unter www.ackerhelden.de. Ein Bio-Landwirt in Schwalmtal bietet neben Freilandparzellen (50 m²) auch Parzellen im Folienhaus mit 16 m² an, etwa für Tomaten, Gurken und Salat (www.mein-garten.land). Informationen zu Biohöfen am nördlichen Niederrhein mit Hofportraits gibt die Internetseite www.bioregio-niederrhein.com, Infos zu Hofläden und Direktvermarktern auch im Kreis Heinsberg die Seite www.hofladen-bauernladen.info.

Auswirkungen

Die Auswirkungen der Landwirtschaft auf Natur und Landschaft lassen sich im Kreis Heinsberg allerorten beobachten. Riesige zusammenhängende Flächen weitgehend ohne Randstrukturen, Hecken oder Brachflächen prägen das Landschaftsbild. Sofern überhaupt Landschaft zu sehen ist. Der zunehmende Maisanbau verhindert fast das halbe Jahr über die Sicht in die Ferne und das Erleben unserer Natur und Landschaft. Am Beispiel des Nordens von Wegberg zeigt die folgende Karte die horrende Maisanbaufläche: 2015 wurden in Merbeck und Umgebung fast 50 % der Ackerfläche mit Mais bestellt, zwischen Merbeck-Ost und Tetelrath über 60 %. An vielen Wirtschaftswegen, die gerne zum Spazieren und für die Naherholung genutzt werden, ist man auf allen Seiten von Mais eingeschlossen. Die Feldwege selbst sind Teil eines Maislabyrinths geworden… Fatal ist dies für Boden, Grundwasser, Bäche und Seen. Die im Norden von Wegberg vorherrschenden kiesig-sandigen Böden lassen die Nährstoffe der Gülle (u.a. Nitrat, Ammonium und Phosphat) genauso wie gut wasserlösliche Mineraldünger fast ungehindert passieren, im Herbst stärker als im Frühjahr.

Feldwege als Maislabyrinth

Alternativen zu Mais

Neben Mais werden mancherorts auch andere Kulturen angebaut, die in Agrargasanlagen eingesetzt werden können. Dazu gehört etwa Grünroggen, der nach „normalem“ Getreide angebaut wird. In Gangelt wurde ab 2011 für die dortige Agrargasanlage auf einer kleinen Fläche mit einer anderen, mehrjährigen Pflanze als Substrat für Agrargasanlagen experimentiert, der Durchwachsenen Silphie. Sie wird über 2 m hoch und blüht von Ende Juni bis Ende August gelb. Ein Vorteil ist, dass es sich um eine mehrjährige Pflanze handelt, die ab dem 2. Jahr für etwa 10-20 Jahre ohne Neuaussaat und Bodenbearbeitung geerntet werden kann. Dadurch könnte sie bessere Lebensbedingungen für die Ackerfauna bieten. Der Ertrag der Silphie soll fast so hoch sein wie bei Silomais, ein etwas geringerer Ertrag wird durch den deutlich geringeren Aufwand ab dem 2. Jahr ausgeglichen. Auch wenn man im Internet zahlreiche Artikel zu Versuchen mit dieser Pflanze, aber auch mit Zuckerrüben und anderen Pflanzen als Substrat für Agrargasanlagen findet, gibt es keine Hinweise darauf, dass sie Mais in der Praxis in größerem Umfang ablösen würden. Kein Wunder, Mais bringt einfach viel Ertrag (und Gewinn) und gleichzeitig kann man damit riesige Mengen von Gülle entsorgen, ohne dass es dem Mais schadet. Boden, Wasser und Landschaft schon. Die Silphie wird manchmal vom Sklerotinia-Pilz befallen, der den Ertrag stark schmälert. Daher soll sie nicht in der Nähe der Wirtspflanzen des Pilzes (Raps, Soja, Sonnenblumen und Kartoffeln) angebaut werden – bei Raps und Kartoffeln wohl eine Illusion im Kreis Heinsberg. Auch der Mais ist vor Schädlingen nicht sicher. Seit Jahren ist der Maiszünsler, ein Kleinschmetterling, dabei, sich in Mitteleuropa auszubreiten. Ein Vorkommen bei Straelen ist wieder erloschen. Es ist aber absehbar, dass Mais langfristig nicht ohne den Einsatz von Insektiziden auskommen wird, alternativ kann der Zünsler mit Schlupfwespen bekämpft werden. Und wäre da noch gentechnisch veränderter Mais, der ein Gift gegen Schmetterlingsraupen ausbildet.

Maisanbau rund um Wegberg-Merbeck (2015, Kartengrundlage: © Geodaten NRW 2015)

Düngemittel im Trinkwasser

Ein Wendepunkt der (Land-)Wirtschaftsgeschichte war die Erfindung der Herstellung des künstlichen Stickstoff-Mineraldüngers (Haber-Bosch-Verfahren). Wenn dem Boden durch jahrelange und intensive Ackerkultur Nährstoffe entzogen werden, müssen diese irgendwie „nachgefüllt“ werden, um die Bodenfruchbarkeit zu erhalten. In früheren Zeiten geschah dies durch die Ausbringung von Gesteinsmehl, Mist aus den Ställen und durch Gründünger (Stichstoff-bindende Pflanzen). Die Erfindung des Kunstdüngers veränderte den Engpass in der Stickstoffversorgung der Pflanzen grundlegend und ermöglichte zusammen mit Neuzüchtungen eine gigantische Steigerung der Produktivität in der Pflanzenproduktion (bei gleichzeitig stark erhöhtem Energieeinsatz). Allerdings haben Mineraldünger einen Nachteil: sie sind gut wasserlöslich und werden je nach Bodenart mehr oder weniger schnell durch den Regen ausgewaschen, ins Grundwasser und in Oberflächengewässer (Gräben, Bäche und Flüsse, Tümpel und Weiher). So stieg der Nitratgehalt des Grundwassers im Kreis Heinsberg in den letzten Jahrzehnten stark an. In weiten Teilen des Kreisgebiets und des Niederrheins ist das oberflächennahe Grundwasser ohne Aufbereitung oder Verdünnung nicht mehr zur menschlichen Ernährung geeignet, insbesondere nicht für Babies und Kleinkinder. Eine tragische und kostspielige Entwicklung, besitzt der Kreis Heinsberg doch riesige Grundwasservorräte von ehemals sehr hoher Qualität. Im Prinzip könnte man es aus niedrigen Tiefen fördern und mit wenig Aufarbeitung als Trinkwasser (Leitungswasser) nutzen und nach wie vor wird der allergrößte Teil der Trinkwassers im Kreis Heinsberg aus dem Grundwasser gewonnen. Stellenweise kooperieren Wasserwerke und Landwirte, um die Belastung des Grundwassers v.a. um Trinkwasserbrunnen zu senken (s.o.). Großflächig wird aber gemessen, dass die Nitratwerte allen Willensbekundungen aus der Landwirtschaft zum Trotz auf hohem Niveau stagnieren und in den letzten Jahren weiter steigen. Ursache ist diesmal wohl nicht nur der Stickstoff-Mineraldünger sondern organische Dünger wie Gülle und Reste aus Agrargasanlagen. Das Problem ist lange bekannt und auch publiziert (u.a. 2009 in [3]). Aber die Politik hat über Jahrzehnte die Augen verschlossen und die Wasserwerke haben einfach tiefer gebohrt, um nitratarme Grundwasserschichten zu erreichen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis auch dort die Nährstoffwerte steigen. Nitrat wird nämlich kaum abgebaut. Der in der EU-Wasserrahmenrichtlinie vorgegebene Wert von maximal 50 mg Nitrat pro Liter im Grundwasser wird im Kreis Heinsberg (in den oberen Grundwasserleitern) kaum eingehalten. In NRW waren für den Monitoringszeitraum 2007-2012 87 von 275 Grundwasserkörpern in einem schlechten chemischen Zustand, also stark mit Düngemitteln belastet. Bezogen auf die Landesfläche waren es 40,8 %. Besonders besorgniserregend ist, dass zahlreiche Messstellen, darunter drei im Kreis Heinsberg, einen signifikant steigenden Trend für Nitrat im Grundwasser zeigen [2], möglicherweise verursacht durch Gärreste aus Agrargasanlagen und importiere Wirtschaftsdünger (i.W. Gülle) aus den Niederlanden, was wohl alle grenznahen Kreise betrifft, und auch aus Nachbarkreisen. Außer Nitrat (und Ammoniak s.u.) sind auch die Phosphatbelastungen der Gewässer nach wie vor hoch. Seit die Phosphateinträge aus Siedlungsabwässern durch den Ausbau der Kläranlagen reduziert werden konnten, stammen die Phosphateinträge i.W. aus der Viehhaltung und treten insbesondere in Gebieten mit hohen Viehdichten (v.a. Schweinemast) auf. Die hohen Düngerfrachten von Gewässern und Grundwasser spiegeln sich auch an ganz anderer Stelle wieder: alle 28 nach der Wasserrahmenrichtlinie bewerteten deutschen Übergangs- und Küstengewässer haben den bis 2015 zu erreichenden guten chemischen Zustand verfehlt oder einfach gesagt: sie sind überdüngt [2]. Um es klar zu sagen, ohne die Reduktion der Düngerausträge im Binnenland können unsere Küsten und Meere sich nicht erholen.

Nur selten dürfen Feldwege noch im Sommer hoch wachsen wie rechts an einer Pferdeweide. Meist werden sie kurz geschnitten, gespritzt oder gleich weggepflügt.

Chemischer Pflanzenschutz

 Pestizide (in der Fachsprache Pflanzenschutzmittel) eingesetzt. Diese schützen die hochgezüchteten Sorten vor Schädlingen wie Insekten und Pilzen, die sich gerade in großen Monokulturen stark vermehren können, andere töten Wildkräuter ab. Tatsächlich werden die mengenmäßig meisten Pestizide gar nicht gegen Insekten eingesetzt sondern gegen Wildkräuter (2014 etwa 18.000 t). Gegen Insekten und Milben wurden wie gegen Pilze wie Rostpilze im Getreide, Fäule- und Schimmelpilze jeweils etwa 13.000 t eingesetzt [7]. Eine für den Autor perfide Art der Vorbereitung von Äckern für die Einsaat (v.a. von Mais) ist es, die Flächen wenige Wochen vorher komplett tot zu spritzen. Dazu wird der kritische Stoff Glyphosat (u.a. in Roundup) eingesetzt, dessen Zulassung aktuell (März 2016) auf dem Spiel steht, da immer mehr Studien die Gefährlichkeit für Mensch und Tier aufgezeigt haben und eine breite Öffentlichkeit gegen die Verlängerung der Zulassung protestiert hat. 40 % der Ackerbaufläche Deutschlands werden alljährlich mit Glyphosat behandelt. Man stelle sich das mal vor: im Kreis Heinsberg wird alljährlich auf mehreren 1.000 ha (also vielen Quadratkilometern, einem nicht unerheblichen Teil der Kreisfläche) eine gefährliche Substanz ausgebracht und das völlig legal. Der Hausbesitzer darf damit nicht einmal ein paar Quadratmeter seiner Einfahrt einsprühen. Oder umgekehrt ausgedrückt: Selbst wenn zahlreiche Hausbesitzer ohne fachliche Kenntnisse nach dem Motto „viel hilft viel“ mehr spritzen würden als nötig und erlaubt, liegt die Menge der in der Landwirtschaft ausgebrachten Pestizide (und auch Dünger) um Größenordnungen über den von Privatleuten ausgebrachten Mengen. Glyphosat und weitere Pestizide finden, auch wenn sie teilweise schlecht wasserlöslich sind, ihren Weg ins Grundwasser und damit in unser Trinkwasser. Übrigens wird auch das Kraut von Kartoffeln eine Zeitlang vor der Ernte totgespritzt. Inzwischen (oder auch immer noch) sind im Urin der meisten Deutschen Pflanzenschutzmittel zu finden – selbst bei Ernährung aus Bio-Nahrungsmitteln!

 

Inzwischen ist unsere Landschaft großflächig an Wildkräutern dermaßen verarmt, dass Landwirte weniger Unkrautvernichtungsmittel ausbringen können: Liebe Landwirte, wenn ihr tatsächlich die Kulturlandschaft schützt, dann gehören Wildkräuter dazu, nicht nur auf kleinräumigen, zur Imagepflege angesäten Blütenstreifen (Fläche siehe Tab. 1) oder in Ausgleichsmaßnahmen, sondern auch in JEDEN Ackerrain, wo man heute oft nur noch einzelne Gräser findet, und auch in Äckern sollten neben den Nutzpflanzen ein paar Wildkräuter Platz finden. Der Wuchsstärke der Kulturpflanzen sind sie i.d.R. ja eh unterlegen. Die Ackerraine werden vielfach nicht unbedingt totgespritzt, sondern frühzeitig gemäht (entgegen der Empfehlung der Landwirtschaftskammer NRW oft vor dem 15.7. oder sogar vor dem 15.6.) oder sie werden gleich mit umgebrochen. Es stimmt übrigens nicht, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland abnimmt: der Absatz von Pestiziden in Deutschland stieg von 35.000 t Wirkstoff in den Jahren 1995-2005 auf rund 44.000 t im Jahr 2013 und gut 46.000 t im Jahr 2014! 2014 waren in Deutschland 776 Mittel mit 276 Wirkstoffen (ohne Zusatzstoffe) zugelassen.

Steigende Pachtpreise

Eine Folge des starken Maisanbaus ist, dass die Pachtpreise im Kreis Heinsberg stark gestiegen sind. Der Gewinn aus Mais ist so hoch, dass die Gewinne aus anderen Kulturen scheinbar mühelos überschritten werden, und damit Landwirte, die keinen Mais anbauen, Pachtland verlieren. Im Frühjahr 2015 konnte man im Kreis Heinsberg mehrfach Anzeigen lesen, in denen Landwirte Ackerland speziell für den Maisanbau suchten und dafür bereit waren, jeden Preis zu zahlen. Gerade im Kreis Heinsberg, wo 60 % der Ackerflächen nicht im Eigenbesitz der Landwirte sondern Pachtland sind, ist dies für viele Betriebe fatal. Daneben haben auch im Kreis Heinsberg Spekulanten den Boden als Investitionsobjekt entdeckt und treiben dadurch die Bodenpreise in die Höhe. Flächen mit fruchtbaren Böden sind halt nicht zu vermehren. Weitere Ursachen, die zur Verringerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche zählen (in NRW etwa 13 ha/Tag !), sind die großflächige Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten, der Straßenbau und natürlich der Tagebau Garzweiler, der Ackerflächen nicht hektarweise sondern Quadratkilometerweise frisst (1 km² = 100 ha !). Rekultivierungen von Tagebauflächen mit der Wiederherrichtung für die Landwirtschaft finden derzeit und in den nächsten Jahren nur im angrenzenden Kreis Neuss statt (alter Tagebau Garzweiler I). Da fallen die wenigen noch neu ausgewiesenen Schutzgebiete im Kreis Heinsberg kaum ins Gewicht, auch wenn die Vertreter der Landwirtschaft genau dies gerne behaupten. Für Eingriffe in Natur und Landschaft sind aber häufig Ausgleichsflächen erforderlich, die nur auf Ackerflächen liegen können, da Wald dafür im Allgemeinen und erst recht im waldarmen Kreis Heinsberg tabu ist. Eine gute Gelegenheit für Landwirte, weniger rentable Flächen abzustoßen, statt großflächig auf schlechten, gut durchlässigen Böden etwa Mais anzubauen.

V.a. im Mais ist der Boden rund um die Stängel kahl, fast alle Wildkräuter sind totgespritzt. Starke Regenfälle führen regelmäßig zu starker Erosion, durch die fruchtbarer Boden weggeschwemmt und damit unwiederbringlich vernichtet wird.

Tierhaltung

Auf die Folgen der Tierhaltung im großen Stil kann hier nur kurz eingegangen werden. Tierhaltung ist neben der Erzeugung großer Mengen scheinbar preiswerter Milch-, Fleisch- und Eiprodukte mit zahlreichen Problemen verbunden. In den zunehmend wachsenden Ställen fallen Abfallprodukte wie (Hühner)Mist und Gülle in Mengen an, die nicht mehr auf betriebseigenen Flächen ausgebracht werden können. Was nicht weiter verwundert, stammt ein Großteil des eingesetzten Viehfutters aus anderen Ländern: für den Import von Agrar- und Verbrauchsgütern benötigen wir Deutschen außerhalb Europas die doppelte Landfläche Deutschlands, neben den USA vorwiegend in Schwellen- und Entwicklungsländern. Allein für den Fleischkonsum in Europa müssen in Lateinamerika auf einer Fläche in der Größenordnung Englands Futtermittel angebaut werden. Paraguay etwa exportiert massenweise Soja für Viehfutter, während 22 % der eigenen Bevölkerung unterernährt sind.

Tab. 3: Tierhaltung im Kreis Heinsberg (zum 1.3.2010)

Tierart Halter Tiere
Schafe  22 3.270
Ziegen 13 158
Einhufer (Pferde und Esel) 105 923
Hühner 58 86.102
Sonstiges Geflügel (Gänse, Enten und Truthühner) 18 901

Von den Qualen der Tiere soll gar nicht die Rede sein. Transporte quer durch Europa sind die Regel. Schwarzwälder Schinken, der lediglich im Schwarzwald seine Endbehandlung erhält und dort verpackt wird, ist nur ein Beispiel dafür, gibt es im Schwarzwald selbst kaum oder gar keine Schweinemäster. Dabei muss man auch sagen: Es geht vorwärts im Tierschutz bei der Tier“produktion“. Eine wichtige Ursache ist dabei die Erkenntnis, dass „glückliche“ Tiere besseres Fleisch besitzen und glückliche Kühe mehr und bessere Milch geben. Ein neu öffentlich gewordenes (aber lange bekanntes) Problem ist die hohe Ammoniakbelastung der Luft in der Umgebung von Massentierhaltungen, die bei Anwohnern zu gesundheitlichen Schäden führen kann. Außerdem bringt es Stickstoffeinträge in die Umgebung inklusive der weiteren Versauerung von Böden mit sich. Gerade bei nährstoffarmen Lebensräumen wie Mooren, Heiden, Magerrasen und Wäldern ist dies fatal, in letzteren schädigt die Eutrophierung die für viele Baumarten so lebenswichtigen Mykorrhizapilze. Die Tendenz zu Megaställen ist ungebrochen, gerade für die Geflügel- und Schweine“produktion“. 3,7 Millionen Tonne Schweinefleisch im Jahr 1993 stehen heute 5,5 Millionen Tonnen gegenüber [8, 9]. Gleichzeitig ist der Fleischkonsum pro Kopf in Deutschland von 1990 bis 2014 um fast 10 % zurück gegangen [10]. Auch im Kreis Heinsberg wurden in den letzten Jahren riesige Ställe v.a. für die Geflügel- und Schweinehaltung genehmigt und errichtet.

 

Ein ganz anderes Problem der Massentierhaltung betrifft uns Menschen selbst als Konsumenten und Patienten: massenhaft, eher zur Mast als zur Krankheitsbekämpfung in der Tierhaltung eingesetzte Antibiotika sind nicht nur in Fleisch(produkten) nachweisbar, sie führen auch zur Entstehung resistenter Bakterien. Als Folge wirken die bekannten und in ihrer Zahl sehr begrenzten Antibiotika nicht mehr. In gleich drei Studien zeigte das LANUV NRW in den letzten Jahren den ungehemmten Einsatz von Antibiotika in NRW: neu von Zehn Masthähnchen und ebenfalls neun von zehn Mast- und Zuchtdurchgängen in der Putenhaltung wurden damit behandelt. Unter den vier am häufigsten angewandten Mitteln waren zwei Stoffe, die in der Humanmedizin als Reserveantibiotika dienen ! Reserveantibiotika werden beim Menschen nur eingesetzt, wenn keine anderen Stoffe mehr wirken. Sie sind quasi die letzten Schwerter gegen resistente Bakterien. Der massenweise Einsatz in der Viehhaltung birgt die Gefahr der Resistenzbildung, so dass sie auch für den Einsatz beim Menschen wirkungslos werden. Bei einem Drittel der Einsätze wurden für Puten in Deutschland nicht zugelassene Stoffe verwendet.

Probleme seit langem bekannt (und benannt)

Viele der geschilderten Probleme sind seit langem bekannt. Bereits 1985 räumte das Gutachten „Umweltprobleme der Landwirtschaft“ mit der lange akzeptierten Mähr auf, ordnungsgemäß betriebene Landwirtschaft diene den Zielen des Naturschutzes und sei kein Eingriff in Natur und Landschaft [1]. Wirklich geändert hat sich seitdem nicht viel. Für die Tiere und Pflanzen des Offenlandes wurde es im Gegenteil immer unmöglicher, auf landwirtschaftlichen Nutzflächen zu (über)leben. Wir sind – gerade im Kreis Heinsberg – nicht mehr weit entfernt von Rachel Carsons „stummem Frühling“: der Kiebitz ist fast verschwunden und auch die Feldlerche singt immer seltener über den Äckern. Für größere Arten wie Wachtel, Rebhuhn oder Weihen ist schon lange kaum noch ein geeigneter Lebensraum vorhanden. Da bringen ein paar 100.000 € an Förderungen im Vertragsnaturschutz in NRW wenig gegen Milliarden von Euro an EU-Subventionen zur Fortsetzung der bisherigen Zustände.

Die Landwirtschaft benötigt riesige Mengen an Trink- und Grundwasser zur künstlichen Bewässerung. Außer – wie seit langem üblich – Kartoffeln, wurden im trockenen Frühjahr und Sommer 2015 auch Getreide (im Bild Weizen), Rüben und sogar Mais beregnet.

Ein wichtiger Weg zu einer naturnäheren Landwirtschaft, die für Mensch und Natur Vorteile bietet, ist die Biolandwirtschaft. Sie findet im Kreis Heinsberg derzeit nur auf einem Bruchteil der Ackerbaufläche statt. Während die Nachfrage nach Bioprodukten nach wie vor stark steigt, bleibt die Anbaufläche in Deutschland gleich und die Zahl der Betriebe nimmt in letzter Zeit sogar leicht ab…, eine Folge des weltweiten Handels. Billiglohnländer können nicht nur Industrieprodukte preiswerter herstellen sondern auch oder gerade Biolebensmittel, deren Anbau oft mit besonders viel Handarbeit verbunden ist. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Artenvielfalt der Insekten und anderer wirbelloser Tiere und damit das Nahrungsangebot für Vögel, Fledermäuse und andere Insektenfresser auf ökologisch bewirtschafteten Flächen deutlich größer ist. Von entscheidender Bedeutung scheint dabei der Einsatz von Pestiziden zu sein.

Bioland-Freilandhaltung von Hühnern in fahrbaren Ställen – gibt’s auch in Geilenkirchen (Bildautor: B. Sunderhaus)

Landwirtschaft und Energie

Im Prinzip machen Landwirte (inkl. der Forstwirtschaft) seit Jahrtausenden dasselbe: Sie fangen mithilfe von Kulturpflanzen (inklusive Gehölzen) Sonnenenergie ein und die Pflanzen stellen daraus unter Verwendung von Kohlendioxid und Wasser organisches Material her, was je nach Kultur Lebensmittel (wie Getreide), Futtermittel, Energielieferanten (Mais, Rapsöl) oder Baustoffe (Bäume) sind. Da liegt es nahe, dass Landwirte auf ihren großen Flächen Energie auch mit anderen Methoden einfangen: Photovoltaik, Windenergie und Biomasse können in großen Stil nur von Landwirten und anderen Grundbesitzern genutzt werden. Sie sind – sofern sie Besitzer und nicht Pächter sind – mit die größten Profiteure der Energiewende. Zeitweise wurden neue landwirtschaftliche Hallen nur vor dem Hintergrund gebaut, darauf PV-Module zu installieren, um die früher üppige Vergütung zu erhalten. Gleichzeitig können gerade Landwirte als wichtige Energieverbraucher vom niedrigen Preis der selbst erzeugten Energie profitieren (bei Windenergie und großen PV-Anlagen < 10 Ct/kWh).

Der Landwirt als Energieerzeuger mit Agrargas, Photovoltaik und evtl. auch noch Windenergieanlagen auf eigenem Grund und Boden

Auswahl wichtiger Quellen:

  1. Umweltbundesamt (2015): Umweltprobleme der Landwirtschaft - 30 Jahre SRU-Sondergutachten. - Berlin.
  2. Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (2015): Nährstoffbericht 2014 über Wirtschaftsdünger und andere organische Düngemittel für Nordrhein-Westfalen. – Münster.
  3. MUNLV (2009): Steckbriefe der Planungseinheiten in den nordrhein-westfälischen Anteilen von Rhein, Weser, Ems und Maas. Oberflächengewässer Untere Rur PE_Rur_1400. – Düsseldorf.
  4. Blaesen, P. (1992): Landwirtschaftliche Verhältnisse zu Anfang des 19. Jahrhunderts im Kanton Erkelenz. – Heimatkalender des Kreises Heinsberg 1992.
  5. Empfänger von EU-Agrarfördermitteln: www.agrar-fischerei-zahlungen.de
  6. Bodenrichtwerte in NRW: www.boris.nrw.de
  7. Pflanzenschutzmittelabsatz in Deutschland: www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/landwirtschaft/pflanzenschutzmitteleinsatz-in-der-landwirtschaft
  8. HZ (14.1.16): Millionen Tonnen von Billigfleisch in Deutschland.
  9. Fleischatlas 2016 (Heinrich-Böll-Stiftung und BUND): www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/landwirtschaft/160113_bund_landwirtschaft_fleischatlas_regional_2016.pdf
  10. Fleischverzehr in Deutschland: www.bvdf.de/aktuell/fleischverzehr_1990-2014/

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