Im Dschungel derLebensmittelerzeugung, von Natascha Burmeister-Langen

Süßungsmittel Bio-Honig Quelle: www.oekolandbau.de Copyright BLE/ Foto: Dominic Menzler
Süßungsmittel Bio-Honig Quelle: www.oekolandbau.de Copyright BLE/ Foto: Dominic Menzler

Sich im „Dschungel“ des Nahrungsmittelangebotes zurechtzufinden ist heute mehr denn je eine große Herausforderung; ein Lebensmittelskandal jagt den anderen: von Antibiotika in der Massentierhaltung über sogenanntes Separatorenfleisch, also billige Fleischreste von Geflügel und Schwein, die in Wurst und Fleischprodukten verarbeitet werden, bis zu gefährlichen Keimen (Listerien) im Käse, um nur einige zu nennen. Aber auch Tatbestände, die den gesetzlichen Rahmen nicht verlassen, wie z.B. die über 300 in der EU zugelassenen Zusatzstoffe, können gesundheitlich bedenklich sein. Für viele ist noch keine abschließende Bewertung vorhanden. Zahlreiche Zusatzstoffe sind in größeren Mengen nicht empfehlenswert, und andere kann der Laie nicht deuten. E 104, 110, 122, 129, 211 z.B. haben eine negative Auswirkung auf ADHS bei Kindern (siehe Wikipedia / Medizinjournal „The Lancet“). Auch die Produktkennzeichnung lässt zu wünschen übrig. Wenn es z.B. heißt

„ohne künstliche Aromen“ oder „ohne Geschmacks verstärkende Zusatzstoffe“ verschleiert der Hersteller, dass in Wirklichkeit andere Zutaten eingesetzt werden, die als Zusatzstoff nicht gekennzeichnet werden müssen. Oder wußten Sie, dass es sage und schreibe 70! verschiedene Zusatzbezeichnungen für

süßende Substanzen gibt? (Verbraucherzentrale Hamburg www.vzhh.de/ernaehrung/106942).


Und dann gibt es noch den globalisierten Markt, der immer schwerer zu durchschauen

und zu kontrollieren ist. Mittlerweile landen auch auf unseren Tellern hoch mit Pestiziden belastete Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse und Tee aus China. Auch die

für unsere Gesundheit bedenklichen Teigrohlinge (ca. 282 Millionen pro Jahr) aus dem Reich der Mitte, die in Großbäckereien, 

Supermärkten und Tankstellen vertrieben werden, werden auch von europäischen Verbrauchern bedenkenlos verzehrt (Bauer

Media Group, Welt der Wunder, ors).


Sind wir deshalb mit Bioprodukten besser versorgt?


Um es vorweg zu sagen, ein „schwarz-weiss Denken“ ist (auch) hier fehl am Platze, und auch hier gibt es „Grauzonen“. Genau wie es im herkömmlichen Bereich unterschiedliche Qualitäten gibt, finden sich im Biobereich empfehlenswerte und weniger empfehlenswerte Produkte. Dabei kommt es auch auf die persönlichen Ansprüche an wie z.B. Geschmack, Regionalität oder Fairness.


Wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen aus?


Seit 1999 gibt es das europaweit gültige Bio-Siegel. Regelmäßige, angekündigte und

nichtangekündigte Kontrollen werden in den

Betrieben durchgeführt. In NRW sind dies private Kontrollstellen, die vom Landesamt

für Ernährungswirtschaft und Jagd (LEJ) zugelassen und „unter die Lupe“ genommen werden.

Produkte, die aus Drittländern kommen, werden ebenfalls von der Produktion bis zum Export überprüft, so z.B. die Etikettierung oder die Mengenangabe. Werden Unregelmäßigkeiten festgestellt, wird sowohl den Erzeugern, Verarbeitern und Importeuren die Vermarktung der Produkte untersagt. Schwere Verstöße ziehen sogar ein Vermarktungsverbot für den gesamten Betrieb nach sich. Dies gilt auch für die Bioverbände. Was wird kontrolliert? Produkte werden z.B. auf eventuelle Rückstände von Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel untersucht; oder es wird geprüft, ob der Betrieb der Aufzeichnungspflicht zu Herkunft und 


Mengenangaben nachgekommen ist. Auch werden Rückstandsproben genommen, um u.a. die Produkte auf Gentechnikfreiheit zu testen.


Bio ist nicht gleich Bio


Bezeichnungen, die „Bio“ oder „ökologisch“

beinhalten, weisen auf „echte“ Bioprodukte

hin.


Anders ist es bei Begriffen wie „biologische Schädlingsbekämpfung“, „unbehandelt“, „natürlich“, „kontrollierter Anbau“, usw... dies sind dann nicht zwangsläufig Ökoprodukte.


Das EU-Siegel gewährleistet einige Grundrichtlinien, die im Verhältniss zu den Richtlinien für herkömmliche Produkte einen Fortschritt bedeuten.


Diese werden jedoch von den Anbauverbänden wie Bioland, Naturland, Demeter noch „übertrumpft“.

Werden z.B. in konventionell erzeugten Nahrungsmitteln über 300 Zusatzstoffe erlaubt, so sieht das EU-Siegel „nur“ 47 Zusatzstoffe vor. Leider noch eine ganze Menge. Davon z.B. Carageen, das als Verdickungsmittel in Milchprodukten verwendet wird und in Tierversuchen Geschwüre und Veränderungen im Immunsystem erzeugt hat. Und so lange keine Alternative gefunden wird, ist auch das umstrittene Nitritpökelsalz, das krebserregende Nitrosamine enthält, noch zugelassen (www.bio-ratgeber.de essen/trinken). Nitritpökelsalz kann zur Bildung von Nitrosaminen führen, enthält als Salz aber keine Nitrosamine. Blut-, Fleisch- und Knochenmehle sowie Guano und eine Teilumstellung des Betriebes auf biologisches Wirtschaften sind auch erlaubt.

Die Anbauverbände hingegen akzeptieren weder Geschmacksverstärker, künstliche Aromen, Farb- u. Konservierungsmittel in den Lebensmitteln, noch Blut- Fleisch- und Kno-


Flächengebundene Schweinehaltung Quelle: www.oekolandbau.de Copyright BLE/ Foto: Dominic Menzler
Flächengebundene Schweinehaltung Quelle: www.oekolandbau.de Copyright BLE/ Foto: Dominic Menzler

chenmehle sowie Guano für die Düngung. Die Tiertransportwege dürfen 200 km nicht überschreiten. Die Betriebsumstellung von konventioneller auf ökologische Produktion muss im Gesamten erfolgen.

Die Inhaltsstoffe von Produkten müssen mindestens 95 % ökologischer Herkunft sein.

Bei Demeter sogar 100 %. Einheitlich sind die Richtlinien beim EU-Siegel wie bei den Verbänden in Bezug auf das Verbot von synthetischen Pflanzenschutzmitteln, die auf Schwefelbasis aber einsetzbar sind.

Die Tierhaltung ist an die Fläche gebunden. Der Zukauf von Futtermitteln ist nur bis max. 50 % erlaubt. In der Praxis ist es allerdings nicht immer so einfach, sich an diese oben genannten, bestimmt sinnvollen, aber auch strengen

Richtlinien zu halten. So z.B. für Biobauern,

die Nachzuchthennen für ihren Betrieb benötigen, da das Angebot die Nachfrage oftmals nicht bedienen kann. Daran sind aufwendige und langfristige Ausnahmegenehmigungen gekoppelt. Stallt der Bauer dann herkömmliche Küken ein, kostet ihn das 5 Cent pro Tier. Auch das Gesetz zu mehr Auslauf für die Hühner (von 170 auf 400 Quadratzentimeter) bringt den einen oder anderen Biobauern an seine finanziellen Grenzen, weil er zu viel Geld für größere Ställe investieren muss.

 

Wie wird gekennzeichnet, wenn nicht alle Zutaten „öko“ sind?

 

Wenn 95 % der Zutaten aus ökologischer Landwirtschaft stammen, darf der Herstel-


ler mit „Bio“ oder „Öko“ werben. Bei 75 bis

95 % darf er ebenfalls wie vorher beschrieben werben, muss aber zusätzlich die % Zahl angeben.

 

Warum ist Bio teurer?

 

Die Ernteerträge sind geringer, die Betriebe

vielseitiger bzw. weniger spezialisiert und die Vertriebswege sind aufwendiger, weil der Verkauf oft in kleinerem Rahmen stattfindet. Betrachten wir es mal anders. Die Mehrzahl konventionell erzeugter Lebensmittel sind sehr günstig. So wurde vor 50 Jahren mehr als das Doppelte für die gleiche Menge Nahrung ausgegeben als heute. Zudem sind im Preis für herkömmliche Lebensmittel die Kosten für Lagerhaltung und Exporterstattungen der Überschüsse nicht enthalten, sondern werden von der EU getragen und damit letzendlich vom Verbraucher. Dipl. Ing. agr. Uli Schumacher erklärt auf der Internetseite der UGB (Vereine für Unabhängige Gesundheitsberatung e.V.), dass die fehlgeleitete Agrar-, Handels- und Umweltpolitik nicht im Preis berücksichtigt wird. Die Subventionierung wird indirekt vom Verbraucher über die Steuergelder getragen. Würden sich z.B. auch die Entfernung der Rückstände aus der Massentierhaltung oder die Erhaltung der Kulturlandschaft im Preis niederschlagen, würde es keine „Billigprodukte“ mehr geben. Die Preise spiegeln somit die ökologische und soziale Wahrheit nicht wieder.

(www.ugb.de/bioprodukte/kostenerloese-preise-bio-produkte-zu-teuer

 

Bio in %

Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten

Nutzfäche lag 1996 bei 2,1 % von der gesamten Agrarfläche in Deutschland, 2013

ist es ein Anteil von 6,3%. Der Anteil der Ökobetriebe im Verhältnis zu den Agrarbetrieben insgesamt, lag 1996

bei 1,3 % und 2013 bei 8,2%.

Im Jahr 2013 gab es in Deutschland 23.271

Biobetriebe, die über 1 Million Hektar bewirtschaften; die größte Ökofläche besitzt

Bayern mit 214.813 Hektar (mit 9.690 Betrieben). NRW liegt bei 70.791 Hektar (mit 3.278 Betrieben)

(www.oekolandbau.de/service/zahlen-daten-fakten)


Der Umsatz von 7,55 Milliarden bedeutet

einen Anstieg von 7% gegenüber 2012. (http://www.biohandel-online.

de/2014/02/bio-umsatz-2013-legt-um-sieben-prozent-zu/)


Leider müssen je nach Lebensmittelart 30 bis 50 % des deutschen Bedarfs nach Bioprodukten über Importe gedeckt werden.

(https://www.test.de/Bioprodukte-Deutsche-kaufen-mehr-Bio-4331640-0/).


Dies kann auch zu Unregelmäßigkeiten führen, wie bei Bioprodukten aus China, bei denen bis zu 20 % der Proben belastet waren (http://www.taz.de/!122128/)


Bio als Alternative?


Trotz Siegel und Kontrollen ist es notwendig, sich gut zu informieren und „die Augen offen zu halten“. Bio ist vor allem dort eine sehr gute Alternative, wo der Verbraucher sich selbst vor Ort ein Bild von den Produktionsbedingungen machen kann. (Und da bedarf es vielleicht nicht unbedingt eines Siegels). Auch in unserer Region (im weitesten Sinne) gibt es nennenswerte Produzenten. Der NABU-Kreisverband Heinsberg e.V. hat mit den Kirchenkreisen Aachen und Jülich und der Initiative „Wandel-im-Westen“ einen Flyer zum Thema „ökologisch und fair einkaufen“ herausgegeben. Dort gibt es weitere Infos und empfehlenswerte Anbieter werden vorgestellt.


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