Ein Jahr etwas machen, was kaum einer macht. Ein Jahr Sachen lernen, die in dem Alter kaum jemand lernt. Ein Jahr Landwirtin, Erzieherin, Tierarzthelferin, Sekretärin, Journalistin, Gärtnerin, KFZ-Mechatronikerin, Försterin, Fotografin, Fachinformatikerin, Hauswirtschafterin sein - zumindest ein bisschen.
Die NABU Naturschutzstation Haus Wildenrath bietet jedes Jahr im Sommer mehrere Plätze für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) oder einen Bundesfreiwilligendienst (BFD/Bufdi) an. Beides sind Bildungsjahre, die jungen Erwachsenen die Möglichkeit geben, ein Jahr im Umwelt- und Naturschutz mitzuarbeiten und sich zu orientieren. Diese Freiwilligendienste werden von den Ländern und den einzelnen Trägern finanziell unterstützt und organisiert.
Die Aufgabenfelder am Haus Wildenrath sind hier sehr verschieden: Von Umweltbildung über Landwirtschaft zu Inklusion und Öffentlichkeitsarbeit kann sich hier jeder ausprobieren und entwickeln, um dann nach einem Jahr FÖJ oder BFD selbstständig und um einiges an Erfahrung reicher den nächsten Schritt ins „Erwachsenenleben“ zu gehen. Ich habe meinen Bundesfreiwilligendienst am 01. September 2013 begonnen. Ich selbst habe mich für den Freiwilligendienst entschieden, weil ich nach dem „Turbo-Abi“ nicht wieder direkt die Schulbank in Studium oder Ausbildung drücken wollte. Nach den Probearbeitstagen war der Wunsch, ein Freiwilliges Jahr zu leisten noch größer und war sehr sicher, dass der NABU in Wildenrath die richtige Adresse hierfür ist. Die ersten paar Tage am Hof waren
unglaublich aufregend, doch das kollegiale Arbeitsklima und die offene Art der Mitarbeiter machten es mir einfach, meinen Platz zu finden: ich schlug den landwirtschaftlichen Zweig ein, während
sich meine anderen freiwilligen Kollegen für Inklusionsarbeit, Umweltbildung und die Öffentlichkeitsarbeit einteilten. Mir macht die Arbeit draußen und mit den Tieren eine Menge Spaß. Besonders
die zunehmende Verantwortung, aber damit auch das zunehmende Vertrauen, lässt einen innerlich wachsen. So bekam ich schon in meinem ersten Monat aufgetragen, das Bestandsregister der Schafe zu
aktualisieren und einen Katalog von ihnen zu erstellen - heute mache ich nicht nur das, sondern kümmere mich um einiges mehr, was den bürokratischen Teil der Landwirtschaft angeht und freue mich,
dass ich dadurch andere entlaste. Darüber hinaus kann man selber feststellen, dass man irgendwo „geschult“ ist. Man bekommt ein Auge dafür, wenn ein Tier sich komisch verhält, man weiß, welche
Pflanzen giftig sein könnten und ob ein Stall wirklich sauber ist - Eigenschaften, auf die man stolz sein kann, denn in Zeiten von „Digital Natives“ ist das etwas, was kaum noch jemand in dieser
Generation kann. In einem Jahr BFD lernt man noch vieles weiteres: So habe ich zum Beispiel über die Bildungstage die Möglichkeit gehabt, einen Kettensägenführerschein, einen Obstbaumwartkurs und
einen Kurs zur Deutschen Gebärdensprache zu machen. Des Weiteren erweitert man durch die Arbeit am Hof die von Personalern sogenannten „Soft skills“. Teamarbeit, Kommunikation, Selbstbewusstsein,
Einfühlungsvermögen, Kritikfähigkeit und Selbstdisziplin. Doch auch die Fähigkeiten, die in verschiedenen Berufsfeldern später relevant sein können, eignet man sich an. Egal ob es das Schneiden
von Fell oder Klauen, Entwerfen von Zeitungsartikeln, das korrekte Schneiden eines Obstbaumes, einer Wiese oder Hecke, das Reparieren
von Zäunen und Geräten, die kompetente Beratung von Besuchern oder Instandhaltung der Räume ist. Als Freiwilliger schnuppert man irgendwie überall mal rein und hat dann die Freiheit das zu machen, was man am besten kann. So ist es uns möglich, innerhalb dieser Zeit eine grobe Richtung einzuschlagen, in die man später gehen möchte. Denn die Erfahrung zeigt, dass zwei oder drei Praktika in der Schulzeit meist nicht für die Berufsorientierung reichen.
Als Fazit ziehe ich, dass ich nach 1 1/2 Jahren viel reifer, selbstbewusster und zielstrebiger den Hof verlasse als ich ihn betreten habe und es mir auf jeden Fall der
Orientierung gedient hat. Ich werde, nach dem ich leider für ein Studium der Tiermedizin abgelehnt wurde, mich zum Tierpfleger ausbilden lassen und bestimmt vieles, was ich hier erlernt habe, dort anwenden können. Des Weiteren möchte ich jeden, wirklich jedem jungen Menschen, der die Schule verlassen hat, ans Herz legen, sich dieses Jahr „Auszeit“ zu gönnen - egal ob nun im Umwelt- und Naturschutz als FÖJ oder BFD oder in eine ganz andere Richtung als Freiwilliges Soziales Jahr - es tut gut, Gutes zu tun!